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Offenbar ist gestern das Thema Bildbeschreibungen an mir vorbei durchs Dorf (lies: durch Twitterhausen) getrieben worden, verbunden mit der einen oder anderen Forderung, auch KünstlerInnen sollten gefälligst ihre Bilder hier entsprechend ausstatten. Mal abgesehen davon, dass der Ton die Musik macht und ich mich, bei allem Verständnis für die Wut und den Frust der sich hinter dieser berechtigten Forderung verbirgt, so ungern anpampen lassen wie die KollegInnen, um deren Werk es gestern ging – Bildbeschreibungen sind definitiv wichtig und sinnvoll und wir sollten dran denken, sie einzubauen.

Die Bildbeschreibungsfunktion bietet seit einiger Zeit die Möglichkeit, den auf Twitter (von dir selbst) hochgeladenen Bildern (und teilweise auch GIFs und Videos) eine Beschreibung hinzuzufügen, die von sogenannten Screenreadern gelesen bzw. vorgelesen werden kann. Screenreader sind Browsertools, die von sehbehinderten NutzerInnen zum sinnvollen Surfen im Web genutzt werden, sozusagen Untertitel für die Ohren. Wenn ein Bild keine Bildbeschreibung hat, geht der Tweet in aller Regel inhaltlich an sehbehinderten NutzerInnen vorbei, was natürlich nicht sonderlich inklusiv ist. Insofern sollte man daran denken, die Bildbeschreibung dranzuhängen, wenn man ein Bild, Video oder GIF auf Twitter hochlädt.

Manch eine/r mag fragen „herrje, wozu? Die können das Bild doch eh nicht sehen?“ und das mag auf den ersten Blick, haha, no pun intended, ja auch naheliegen. Aber ich schätze mal, das ist wie mit meinen Lieblingsbüchern, zu denen ich die Verfilmung nicht sehen mag, weil sie mein Kopfkino ruinieren würde. Nicht, dass meine Bildbeschreibungen so sensationell wären, dass man sich das dazugehörige Bild auch schenken könnte, aber ich schreibe genauso gern wie ich zeichne und versuche immer häufiger, die Stimmung meiner Bilder und Zeichnungen so in Worte zu kleiden, dass man sich darunter etwas vorstellen kann. Auch dann, wenn man das Bild gar nicht sieht.

Ich gebe mir also große Mühe, an die Bildbeschreibung zu denken (und nicht nur dran zu denken, sondern sie auch tatsächlich reinzuschreiben) und mache das auch schon seit einer ganzen Weile so, ein kurzer Scroll durch meine Twittermedien verortet den „Erstling“ im Juni 2017. Warum es dennoch nicht immer klappt? Weil ich gerade bei meinen Tweets mit meinen Bildern seltenst über die Website twittere, sondern vom Handy aus, genauer gesagt: via iOS.

Und zwar lade ich die Bilder nicht aus der Twitter-App – oder meinem präferierten iOS client Tweetbot – sondern aus Bildbearbeitungsapps heraus hoch. Wenn ich z.B. ein Foto von einer Zeichnung knipse, dann ist der Vorgang folgender:

1. Kamera-App aufrufen -> Foto knipsen.

2. Bildbearbeitungsapp, meist Snapseed -> Foto öffnen und bearbeiten.

3. Bild direkt aus Snapseed o-Ä. heraus exportieren in die App „Bildgröße“, mit der ich die genauen Maße und das gewünschte Bildformat festlegen kann. Das ist nötig, weil ein mit dem iPhone geknipstes Bild sehr hochauflösend ist und viel zu viel groß für einen Upload wäre.

4. Aus der Bildgröße-App heraus exportiere ich das Bild entweder in eine weitere Bildbearbeitungs-App namens „Lens Distortions“, mit der ich gern Lichteffekte hinzufüge, wenn es sich anbietet. Und aus der App heraus schließlich exportiere ich das fertige Bild zu Twitter oder Instagram oder verschicke es per Mail etc.

Jede benutzte App kann zur Twitter App oder zu Tweetbot exportieren. Sowohl die Twitter App als auch Tweetbot haben – inzwischen – die Möglichkeit, eine Bildbeschreibung hinzuzufügen, allerdings NUR, wenn das Bild direkt aus dem Fotoalbum des Handys in die App importiert wird, NICHT, wenn die Übergabe aus einer anderen, dritten App stattfindet. Ich weiß nicht, woran es liegt, ob und wenn ja, wer da gepennt hat bei den jeweiligen Entwicklungsteams, aber Fakt ist: ich müsste jedes Bild zunächst einmal ins reguläre Fotoalbum des iPhones sichern und dann von dort aus neu manuell den Transfer zu Twitter starten und anschließend das ja nun doppelte Foto im Album löschen. Und das ist mir – gerade am Handy, eventuell gar noch draußen bei Sonnenlicht, oder mit dicken Daumen und ohne Lesebrille auf der Nase meistens einfach zu mühsam, ich geb’s zu.

Gestern meinten dann so ein paar Berufsempörte, die KünstlerInnen sollten doch dann jemanden dafür bezahlen, das zu tun. Abgesehen von der nicht gerade praktikablen Lösung, ein Bild erst mal „außer Haus“ zu geben um einen Dritten den Text dafür schreiben zu lassen, was spontanen Tweets natürlich völlig den Garaus macht – ob solchen Leuten eigentlich bewusst ist, dass nicht alle KünstlerInnen auf Twitter, die ihre Kunst oder Comics kostenlos und gern zur Freude ihrer Mitmenschen verbreiten (und ja, natürlich auch im Sinne der schamlosen Eigenwerbung, klar) über einen Dukatenscheißer im Keller verfügen und jemanden 24/7 dafür bezahlen könnten, ihre Bildbeschreibungen zu texten? Wir sind keine Konzerne, Leute! Die Absurdität dieses Vorschlags wird nur noch übertroffen von der Selbstgerechtigkeit der Vorschlagenden. Jemand anderes meint dann, man könnte das doch in einem DiscordServer von Fans oder Freiwilligen erledigen lassen, gegen gelegentliches Merchandise rüberwachsen lassen. Ernsthaft, ich weiß gar nicht, wo man da ansetzen sollte, das ist eine so dermaßen abseitige Forderung, mir bleibt echt die Spucke weg bei solchen Gestalten. Auf welchen Drogen sind die?

Was ich erst vor einigen Tage gelernt habe: Wenn ich eine Bildbeschreibung drangehängt habe, bekomme ich zwar ein „alt“ für „alternative text“ angezeigt, das wird aber nur mir angezeigt. Ich dachte bis dato, das sähen auch die Screenreader und gut ist. Aber wenn ich im Text meines Tweets manuell noch zwei der 240 Zeichen für  !B spendiere, dann wissen Screenreadernutzer: Hier lohnt es sich (hoffentlich …) den Screenreader vorlesen zu lassen. Das !B ist also genauso wichtig wie die eigentliche Bildbeschreibung, über die Screenreadernutzer sonst vermutlich nur zufällig stolpern würden. Siehe Nachtrag unten – das !B ist nur für die Sehenden.

Screenshot meines Tweets mit zwei Bildern, die über Bildbeschreibungen verfügen

Tweetbots Übergabe bei alt-Texten ist allerdings nicht immer fehlerfrei, insbesondere bei Videoclips verschluckt er die gerne mal. Ich habe z.B. heute ein Video vom Handy via Tweetbot hochgeladen und einen alt-Text getippt, aber im Browser wird er leider nicht angezeigt. Da ist also noch Luft nach oben; ich weiß nicht, ob und wann das angegangen wird, aber Inklusion sollte bei den Client-Entwicklern eigentlich ziemlich weit oben auf ihrer Prioritätenliste stehen.

Man kann sich die alternative Bildbeschreibung übrigens auch als sehender Mensch ohne Screenreader im Browser anzeigen lassen. Entweder durch Rechtsklick+Quelltext anzeigen lassen, oder auf Twitter unter dem betreffenden Tweet den Bot @get_altText anpingen, der antwortet dann mit dem alt-Text des Bildes. Weitere Bots mit demselben Service sind @ImageAltText und @CaptionClerk.

Was leider (noch?) nicht geht: Bildbeschreibungen nachträglich hinzufügen, was de facto heißt: Tweets editieren. Umso wichtiger, dass ich künftig immer daran denke, nicht nur auf Twitter, sondern auch und besonders hier auf meiner Website. Die ist nämlich in der Hinsicht die viel größere Baustelle.

Nachtrag: Der Account @MeinAugenlicht hat einen Infotext zum Thema Bildbeschreibungen verbloggt und mich darauf hingewiesen, dass die !B Kennzeichnung einer vorhandenen Bildbeschreibung nicht aus technischen Gründen für den Screenreader ist, sondern für die Sehenden, die ja nicht ohne Weiteres die Bildbeschreibungen lesen können, also nicht wissen, ob eine vorhanden ist. Das !B erspart ihnen eine manuelle Bildbeschreibung in der reply bzw. gibt ihnen das gute Gefühl, einen Bildertweet mit Bildbeschreibung retweeten zu können. Inwiefern das sinnvoll ist, diese Beurteilung überlasse ich der geneigten Leserschaft. Ich selbst werde natürlich weiterhin auf die Bildbeschreibung achten, aber mir das !B schenken.

Join the discussion One Comment

  • Frank sagt:

    Es gibt das schöne Browser Add-on „Alt or not“.

    Alt or not, a browser extension / add-on for Twitter and Tweetdeck

    Alt or not is a browser extension / add-on for Chrome, Firefox, and Edge. Easily see which images include alt text or not on Twitter (also supports GIF) and TweetDeck, and get a warning when posting images without alt text.

    https://www.abitofaccess.com/alt-or-not